Mach’s gut, Stefan!

Gestern teilte innoQ mit, dass ihr Mitgründer und CEO Stefan Tilkov verstorben ist. Der Mitteilung entnehme ich, dass das für alle Seiten überraschend kam. Mir fehlen die Worte, ich will es trotzdem versuchen.

Ich hatte mit Stefan mehrere Kontaktpunkte, aber direkt unterhalten haben wir uns selten. Waren wir auf derselben Konferenz oder Event - ein paar Minuten für ein Gespräch hatte er immer, und die Minuten waren gut genutzt. Das war nicht anders, als wir gemeinsam mit innoQ Projekte durchgezogen haben. Trotzdem hat er mich stark beeinflusst wie wenig andere. Denn Stefan war immer… da? Er war ansprechbar. Oder irgendwo auf einer Konferenz, um seinen Gedanken zum Besten zu geben. Oder er schrieb eine Kolumne. Es war ein bisschen so wie zusammen im selben Gebiet wandern: hin und wieder trifft man sich, läuft mal eine Strecke gemeinsam und auch gerne, aber auch nicht mehr. Und das ist auch okay so.

Stefan war - und das sage ich nicht leichtfertig - eine Szenegröße. Ich vermute mal, er war sich dessen bewusst, aber raushängen ließ er das nie. Er hatte häufig recht - aber nahm das niemals für sich in Anspruch. Er machte nur einfach seine Hausaufgaben und war ein guter Kritiker - die Sorte, die deine Haltung schärfen, nicht zerstören will. Er war ein Mensch, der offenbar in seine Meinungen viel Zeit investierte aber auch davon überzeugt war, dass das andere genauso tun. Er hatte eher ein große Lust daran, die große Welt der Softwareentwicklung aber vor allem der Menschen darin zu verstehen und mit großen Vertrauen und ohne Zynismus zu begegnen. Meinungsstärke war ihm wichtig - seine und die seiner Gegenüber. Und so hat er sich irgendwie nebenbei für viele Communities stark gemacht - Ruby/Rails, Clojure, etc. Er hatte Respekt vor deren unterschiedlichen Ansätzen und war ein Fürsprecher, kein Widersprecher.

Stefan und seiner Firma innoQ habe ich Agile in der Tiefe gelernt - als Wertegebäude, nicht als Prozesskonstrukt. Als Umgebung, in der Menschen ernst genommen werden. Vor allem aber als System, das dauernd kritisiert werden muss. Nicht täglich, aber regelmäßig. Ob jetzt SCRUM oder Kanban war (eine wichtige!) Nebensache. “Hilfts? Und kannst du mir zeigen, warum?” war eher die Grundfrage, ohne jedoch komplett ins verbissen Rationale abzugleiten. Mehr als eine unserer Unterhaltungen endete darin, zwar nicht gleicher Meinung zu sein, aber dass das wohl offenbar für uns beide gut klappt.

Ich werde ihn auch als von Herzen und in allem liberalen Menschen in Erinnerung behalten. Ich hätte mich gerne mal mit ihm über seine Reise vom überzeugten FDP-Mitglied und -Wähler zum Austritt unterhalten. Stefan hat sich für andere Menschen interessiert, sich ein Urteil über anderer Lebensweise oder Weltsichten war ihm denke ich zuwieder. Aber das weiss ich nicht genau - denn dieses Gespräch wird nicht mehr stattfinden - ich hätte es spannend gefunden!

Stefan, mach’s gut - ich werd dich und deine Stimme (in mehr als einer Hinsicht) vermissen.

Mein Beileid vor allem Stefans Familie, seinen Freund:Innen und Kolleg:Innen.

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